Hinfallen und wieder Aufstehen

Schlüssel zum Wachstum
Bist du in deinem Leben schon einmal so richtig hingefallen? Damit meine ich nicht nur einen körperlichen Sturz, sondern eine Niederlage oder einen Verlust, der dir den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
Wenn wir Kinder beim Fallen beobachten, können wir viel über uns selbst lernen. Da gibt es Kinder, die hinfallen, kurz weinen, sich abtasten und dann weiterlaufen. Andere bleiben liegen, weinen und warten, bis jemand sie tröstet. Wieder andere stehen einfach auf und gehen weiter.
In ihrem Verhalten spiegelt sich oft wider, wie wir später mit Herausforderungen umgehen.
Lernen durch Fallen – Wie wir Resilienz entwickeln
Im ersten Lebensjahr eines Kindes entwickelt es durch Bindung und Fürsorge ein Gefühl von Sicherheit. Diese Geborgenheit ermöglicht es, die Welt zu entdecken und Risiken einzugehen. Fühlt sich ein Kind sicher, wagt es die ersten Schritte – und fällt. Und das ist gut so.
Denn Resilienz, unsere psychische Widerstandskraft, entsteht durch Erfahrungen. Je sicherer die Bindung, desto mehr traut sich das Kind zu. Es lernt, dass es fallen und wieder aufstehen kann – und dass immer jemand da ist, wenn es wirklich Hilfe braucht.
Was bedeutet das für uns? Unsere ersten Erfahrungen prägen, wie wir mit Krisen umgehen. Doch Resilienz ist keine festgelegte Fähigkeit. Sie kann wachsen – in jedem Alter.
Auch als Erwachsene können wir Resilienz weiterentwickeln – indem wir lernen, auf unsere Stärken und die Unterstützung anderer zu vertrauen.
Vom Fallen in der Kindheit zum Stolpern im Leben
Und dann werden wir erwachsen. Doch das Leben hört nicht auf, uns stolpern zu lassen – und genau hier zeigt sich, wie gut wir die Fähigkeit entwickelt haben, wieder aufzustehen.
Auch ich habe mich oft wie ein Kind gefühlt, das hinfällt und einfach nur weint. Besonders als mich während meiner Ausbildung plötzlich Prüfungsangst überkam. Es war, als hätte mich jemand mitten im Lauf gestoppt und ich wusste nicht, wie ich weiterkommen sollte.
Der Moment des Scheiterns – Und die ausgestreckte Hand
In der Probe zu meiner Abschlussprüfung sollte ich eine Hort-Besprechung leiten. Ich kannte die Kinder gut, hatte die Abläufe beobachtet, vorbereitet, und fühlte mich sicher. Doch als ich vor der Gruppe stand und die Augen der Kinder auf mich gerichtet waren, passierte es: Mein Kopf wurde leer. Ein Blackout.
Ich spürte, wie mein Herz raste und die Gedanken versiegten. Alles um mich herum schien in Zeitlupe zu passieren. Die Kinder schauten mich erwartungsvoll an – und ich konnte keinen einzigen Satz formulieren. Es war, als hätte jemand das Licht ausgeknipst und mich aus der Situation entfernt. Ich hörte die Worte meiner Anleiterin, die mich zu retten versuchte, doch ich konnte nicht reagieren.
Schließlich verließ ich den Raum. Ohne ein Wort. Ohne eine Erklärung. Auf der Toilette ließ ich mich auf den Boden sinken und weinte. Ich fühlte mich klein, verloren und unfähig. Es war ein Moment, in dem ich nicht nur vor anderen, sondern auch vor mir selbst gescheitert war.
Scheitern als Wendepunkt – Mein persönliches Wachstum
Die Reflexion dieses Moments war schmerzhaft. Ich schämte mich, suchte nach Erklärungen und rang mit dem Gedanken, ob ich überhaupt weitermachen sollte. Doch in den Gesprächen mit meinen Kolleginnen und meiner Anleiterin wurde mir klar: Das war kein Ende, sondern ein Anfang.
Es war nicht einfach, Hilfe anzunehmen. Doch genau das war der erste Schritt. Mit Unterstützung suchte ich einen Therapeuten auf und begann, an meiner Prüfungsangst zu arbeiten. Es fühlte sich an, als würde ich barfuß über Kieselsteine laufen – jeder Schritt war mühsam, aber er brachte mich voran.
Ich entschied mich, ein neues Prüfungsthema zu wählen: eine Backwerkstatt mit den Hortkindern. Es war keine spontane, leichte Entscheidung. Es war ein Weg voller Zweifel und innerer Kämpfe. Doch als ich mich in die Vorbereitung stürzte, spürte ich etwas Neues: Freude. Diese Freude half mir, die Angst zu zähmen.
Am Tag der Prüfung war die Nervosität noch da, doch sie war nicht lähmend. Ich fühlte mich vorbereitet – und vor allem war ich überzeugt davon, dass ich das schaffen konnte. Die Prüfung verlief erfolgreich. Doch wichtiger als das bestandene Examen war die Erkenntnis: Scheitern hatte mich wachsen lassen. Es hatte mich gezwungen, mich mit meinen Ängsten auseinanderzusetzen und eine Stärke in mir zu finden, die ich vorher nicht kannte.
Scheitern als Chance – der Weg zur inneren Stärke
Heute weiß ich, dass das Hinfallen genauso wichtig ist wie das Wieder-Aufstehen. Es zwingt uns, innezuhalten, unsere Bedürfnisse zu erkennen und uns zu fragen: Mit wem möchte ich diesen Weg weitergehen? Wer gibt mir Halt – und wem kann ich Halt geben?
Scheitern fordert uns auf, unsere Ziele zu hinterfragen und neue Wege zu entdecken. Es ist oft der Moment, in dem wir wachsen – nicht trotz, sondern gerade wegen der Herausforderung.
Wo in deinem Leben bist du hingefallen – und wie bist du wieder aufgestanden? Was kannst du aus deinem Scheitern mitnehmen?
Deine Anne-Marie
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